Erinnern Sie sich noch? – Zuckertütenbaum

Erinnern Sie sich noch? – Zuckertütenbaum

Ruhig ist es geworden auf dem Tauraer Schulhof. Zu ruhig. Was hat der Hof schon alles erlebt und was der große Kastanienbaum? Die schönsten Augenblicke gab es sicher zu den Schulanfangsfeiern. Ungeduldig saßen die Erstklässler auf den harten Holzbänken und lauschten dem Lied vom Zuckertütenbaum. Sie konnten noch nicht wissen, dass aus einer Zwiebel, die gepflanzt wurde, kein Baum wachsen konnte. Die gemalten Bilder über die Wachstumsepochen des Zuckertütenbaumes wurden zu den einzelnen Strophen des dazugehörigen Liedes gezeigt und blieben in Erinnerung. Die sich  anschließenden Erklärungen der Lehrerin waren schnell vergessen. Man wartete auf den Gang zum geschmückten Baum. Aufstellung in Zweierreihe hieß die Ansage. Welch herrlicher Anblick, wenn man dann aus dem Schulgebäude trat und die bunten Tüten an den Zweigen des Kastanienbaumes hängen sah! Neugierige Dorfbewohner verfolgten das Schauspiel. Man sah sie tuscheln. Sicher wussten sie später noch, welches Kind die schönste Zuckertüte bekommen hatte. Viele Kinder erhielten zusätzliche Geschenke. Man kannte sich eben im Dorf!

Kinder, welche die Christenlehre besuchen würden, hatten einen weiteren Höhepunkt zu erwarten. Am Folgesonntag nach Schulbeginn, gab es einen Festgottesdienst. Die Schulanfänger trafen sich mit Eltern und Paten vorm Pfarrhaus. Fleißige Helferinnen hatten zu diesem Anlass für die Mädchen herrliche Heidekränze gebunden. Die Jungen bekamen Heidesträußchen angesteckt. Feierlich liefen alle unter Glockengeläut, vorbei an der Schule, über die Dorfstraße, die Kirchstufen hinauf, zur Kirche. Voran lief der Pfarrer mit dem Kirchenvorstand. Welch große Aufmerksamkeit wurde den Kindern gewidmet!

Bis zur 10. Klasse durfte in der Tauraer Schule gelernt werden. Es gab einen Hausmeister und es gab Pausenmilch. Bei schönem Wetter wurden die Pausen auf dem Schulhof verbracht. In der Mitte des Hofes war später ein Fahnenmast eingegraben worden. Um diesen musste man sich während der Hofpause kreisförmig bewegen oder es gab einen sogenannten Fahnenappell. Kinder, die Kriegsspielzeug besaßen, wurden dabei öfters gerügt. Später sprach man nicht mehr über solche Vorfälle. Doch egal was auch passierte, der Kastanienbaum spendete seinen Schatten und tut es noch heute. Vielleicht wartet er geduldig auf erneutes Kinderlachen.

Annette Richter
April 2022

Schreiben Sie einen Kommentar

Menü