Erinnern Sie sich noch? – “De Siedlung” Kapitel II


„De Siedlung“ Kapitel II


Viel Schönes konnte man auf der Arthur-Beil-Straße in Taura erleben. Außer dem KONSUM und dem Weber-Bäck, gab es ein weiteres, wunderbares Lebensmittelgeschäft, den Neuhaus Otto.

Fast am Ende der Siedlungsstraße stand das großzügige Haus mit Schaufenster und Ladeneingang. Noch heute sehe ich die Bonbongläser aufgereiht vor mir stehen. Sie hatten Glasdeckel mit Verzierung und in jedem befand sich eine kleine Schaufel. Hatte man sich endlich für einer der vielen Bonbonsorten, wie goldene Nüsse mit Kakaofüllung oder saure Dropse entschieden, wurde das Glas vorsichtig geöffnet und die Ware in kleine, spitzförmige Papiertüten gefüllt. Allein das Verschließen dieser Tüten glich einem Kunstwerk. Oft versuchten wir Kinder beim Spiel mit dem Kaufmannsladen es nachzuahmen. Erfolglos.

Beim Verkauf von Sauerkraut und sauren Gurken wurde die Tüte noch mit Zeitungspapier verstärkt. Plastiktüten gab es noch nicht. Aber es gab alles, was man für einen Haushalt brauchte. So etwa Bohnerwachs in schwarzen, runden Dosen, denn am Wochenende wurde das Linoleum in den kleinen
Häusern gebohnert.

In der Vorweihnachtszeit waren wir Kinder sehr aufgeregt und vielleicht auch die Erwachsenen. Wann würden Otto Neuhaus und seine Frau den nickenden Weihnachtsmann ins Fenster stellen? Dann kamen noch die glitzernden Adventskalender dazu. Auch bei Schnee und Kälte konnten wir lange vor dem Fenster stehen.

Schlimmer war für uns Kinder das „Monster“ hinter diesem Haus. So nannten wir Kinder die Wäschemangel. Mit Wäschekorb im Handwagen fuhren die Hausfrauen dort vor. War es sehr kalt, hatten
sie noch eine Wärmflasche dabei. Vorher hatten sie eine Termineintragung im Rollbuch machen müssen. Die großen Mangeltücher wurden auf eine Rolle gewickelt und dazwischen die Baumwollwäsche gelegt. Diese kamen dann unter den mit Steinen beschwerten Kasten der Mangel. Ein Sicherheitsgitter rastete ein und die Mangel setzte sich in Bewegung. Was waren das für unheimliche Geräusche?! Es knarrte und knackte beim Hin-und Herbewegen des schweren Kastens. Erschien es der Hausfrau genug, wurde die Rolle wieder auf dem Rolltisch ausgerollt und die Wäsche glatt in den Korb gelegt. Als ich 12 Jahre alt war, musste ich diese Arbeit allein verrichten und hatte furchtbare Angst dabei.

Auch einen Schneidermeister Uhlig gab es auf der Straße. Aus vielen, alten Kleidern fertigte er neue, chice Kleider. Sie wurden vorher zertrennt, Stoffe und Knöpfe aufgehoben, denn nach dem Krieg gab es
kaum Stoffe zu kaufen. Tanzstundenkleider konnten manche Leute aus Ballonseide nähen lassen. Kein fremder Kunde hat jemals vom Schneidermeister erfahren in welchem Armeelager die Seide gefunden
wurde.

Wenn es auch die schönen Geschäfte nicht mehr gibt. Eines ist geblieben. Die Artuhr-Beil-Straße mündet immer noch in die Taurasteinstraße und ein markanter Punkt ist dabei der alte Eichenbaum.

Burgstädt, 26. 01. 2024
Annette Richter

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