Erinnern Sie sich noch? – “De Siedlung”

„De Siedlung”


Es ist kein Fehler in der Rechtschreibung, sondern eine liebevolle Bezeichnung der Bewohner der Arthur-Beil-Straße für ihre Siedlung.

Dabei wurde der Straßenname 1930 sorgfältig gewählt. Man ehrte damit den Mann, der sich um heimatkundliches Wissen verdient gemacht hatte. Viele Jahre war er Schuldirektor in Taura und forschte nicht nur über Taura und Burgstädt, sondern über die gesamte Gegend.

Die Häuser der Siedlung waren bereits 1928 bezugsfertig. Die Baufirma Hellner aus Taura hatte sie im Auftrag der ansässigen Textilfirmen errichtet.
Hell, freundlich und modern wirken die Häuser heute noch. Solide gebaut, brachte es der Baufirma den Ruin. Sie hatte wohl nicht solide kalkuliert. Sicher war dies auch ein Grund, weshalb die Straße erst in den 70iger Jahren befestigt werden konnte.

Für die Kinder bildeten die großen Regenpfützen bis dahin eine herrliche Spielfläche.

Waren die Pferde des Brennstoffhandels „Dittrich“ durch die Straße gezogen und hatten Etwas fallen gelassen, brauchte man keine Straßenreinigung. Schnell mussten die Kinder mit Schaufel und Besen diesen wichtigen Dung in die Erdbeerbeete bringen. Eben alles Bio.

Die Siedlungsbewohner waren eine große Gemeinschaft, waren sie doch alle zur gleichen Zeit in ihre Häuser gezogen und arbeiteten bei den Firmen Guido Unger und Koch. Man konnte die Häuser erwerben und die meisten Bewohner entschieden sich dafür.

Die Wände zum angrenzenden Doppelhaus waren dünn. Doch das war sehr gut. Es gab kein Telefon und Klopfzeichen in Notfällen waren eine große Hilfe. Wenn Peters Albin klopfen musste, stand wenige  Minuten später die Jähnig Liesbeth an der Tür. War der Besuch eines Arztes notwendig, rannte man zu Zahnarzt Amadeus Stern. Er besaß in seiner Praxis als Einziger ein Telefon.

Man half sich gegenseitig, man feierte zusammen und erfand Feste. Ein Höhepunkt war in jedem Jahr die gemeinsame Ausfahrt mit dem Reisebus. Alte Bilder zeugen noch davon. Spätestens zu diesem Zeitpunkt trug jede Frau ein neues Kleid.

Doch auch die Gestaltung der Gärten unterlag einem Konkurrenzkampf. Wer hatte die schönsten Blumen, wie waren die Eingänge angelegt? Welcher Gartenzaun war schon wieder neu gestrichen?

In den 60iger Jahren kamen die ersten Fernsehgeräte in die Wohnzimmer. Mit einer Flasche Wein ging es dann zu den Fernsehbesitzern um am Samstag den „Blauen Bock“ zu schauen.

Wurde im KONSUM eine besondere Lieferung gebracht, dazu gehörte auch Käse und Vollkornbrot, verbreitete sich die Nachricht von Gartenzaun zu Gartenzaun und schon traf man sich wieder beim Einkauf.

Die Kinder spielten auf dem wunderschönen Spielplatz hinter den Häusern. Wurde es Abend, trafen sich die Eltern beim Rufen der Kinder zum Abendessen. Selten wurde sofort gehört.

Auf der anderen Seite der Siedlung lagen die Wiesen und Felder vom Bauer Heimer. Sauerampfer
schmeckte dort besonders gut. Auch unter den Kindern gab es Feinschmecker. In den Kornpuppen
konnte man im Herbst herrliche kleine Wohnungen einrichten. Oft kam es zur Räumung der Wohnungen, wenn Heimer Helmut schimpfte. Die Ermahnung hielt aber meist nur eine Nacht an.

Am Beginn der Arthur-Beil-Straße befand sich der Laden mit den schönsten Hefehörnchen und duftenden Broten, der Weber-Bäck. Ich kenne kein Kind, dass nicht heimlich nach dem Einkauf in solch ein Brot gebissen hat. Auch Großvater Albin habe ich dabei gesehen, es aber der Großmutter niemals verraten.

Schon damals konnte man super familienfreundlich in Taura und der Siedlung leben. Dieser Geist scheint
sich erhalten zu haben. Straßenfeste und lebendige Adventskalender zeugen davon.

Möge es so bleiben oder noch schöner werden.

Dies wünscht die Annette, die einst in der Arthur-Beil-Straße 340 wohnte.

Burgstädt, 19. 01. 2024
Annette Richter

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